10 Fragen an eine Paketzustellerin in Zeiten von Corona

Jeder nimmt die derzeitige Lage in der Corona-Pandemie aus einem anderen Blickwinkel wahr. Umso interessanter ist es, Erfahrungen anderer zu hören und deren Sichtweisen zu verstehen. Besondere Geschichten können wohl die Mitarbeitenden der „systemrelevanten Berufe“ erzählen, die den täglichen Kontakt zu ihren Mitmenschen erleben und auch dessen Leben spüren. Wir haben mal nachgefragt, wie der Arbeitsalltag einer Paketzustellerin bei der DHL aussieht, was sich geändert hat und welche Herausforderungen täglich auf sie warten.

1. Wie verlief das letzte Jahr bei der DHL im Blick auf die Corona-Pandemie?

Also ich persönlich arbeite erst seit Mitte des letzten Jahres bei der DHL und habe den ersten Lockdown nicht mitbekommen. Meine Kolleg*innen berichteten von einem sehr hohen Aufgebot an Paketen und vielen Stunden auf Dresdens Straßen. So gesehen verlief es sehr arbeitsreich und sicherlich sehr anstrengend für viele Mitarbeitenden. Ich bin ja dann im Sommer mit einer, für mich persönlich, hohen Paketmenge gestartet, sodass das für mich zur Normalität geworden ist. Viele meiner Kolleg*innen berichteten zu dieser Zeit wiederum von einer recht entspannten Phase hinsichtlich der vorhergehenden Wochen und Monate — und ich ziehe an dieser Stelle den Hut vor all meinen Kolleg*innen, die täglich Paketsendungen austragen! Im zweiten Lockdown, und gerade zur Weihnachtszeit hin, ist natürlich die Menge an Paketen wieder enorm gestiegen, sodass auch wieder mehr Arbeitskräfte benötigt wurden. Die Arbeitstage wurden auch länger. Aktuell ist es, im Vergleich der letzen Monate, etwas ruhiger geworden.

Die Pakete werden ausgeliefert.

2. Welche besonderen Schutzmaßnahmen müssen Sie täglich einhalten?

Auf dem gesamten Gelände der DHL und natürlich in den Betriebsräumen gilt strikte Maskenpflicht. Wir haben Desinfektionsmittel, welches uns im Depot stets zur Verfügung steht, als auch kleine Flaschen für den Tag im Auto. Und sowieso gilt für uns die Maskenplicht auf öffentlicher Straße und während der Auslieferung. 
Darüberhinaus können gewisse Services, die einen längeren Kontakt benötigen, aktuell nicht ausgeführt werden. Dazu zählen zum Beispiel Sendungen per Nachname, die eine Bezahlung direkt an der Haustür erfordern. Diese Angebote werden an die jeweiligen Filialen weitergeleitet. 

3. Haben Sie Angst, sich bei den vielen täglichen Kontakten anzustecken? Wie ist die Stimmung bei den Kolleg*innen?

Ich persönlich habe keine Angst davor und mir ist von meinen Kolleg*innen auch nichts anderes zu Ohren gekommen. Wobei ich mir vorstellen kann, dass da die Stimmung nicht einheitlich ist und von Tag zu Tag schwanken kann. 
Dadurch, dass wir eine Maske tragen, schützen wir zwar vorrangig die Kund*innen, aber das Bewusstsein, dafür, dass sich die ”andere Seite”, während des Aushändigen des Paketes, ebenfalls einen Mundschutz aufsetzt, steigt immer mehr. Auch ist es immer möglich, den Mindestabstand zu wahren, da wir die Pakete auch einfach zwischen dem/der Empfänger*in und uns selbst ablegen können und somit kein direkter Kontakt entstehen muss. Viele der Empfänger*innen kommen mir auch entgegen oder sogar den ganzen Weg nach unten, sodass die Übergabe auch oft draußen stattfindet. 

Paketübergabe vor der Haustür.

4. Spürt man die Angst bei den Kund*innen?

Ich würde behaupten, dass es vermehrt eine Vorsicht ist, als direkte Angst. Oft äußern die Kund*innen den Wunsch, das Paket einfach abzustellen und sie holen es sich dann direkt dort ab. Das geschieht dann meistens genau vor der Wohungs- oder Haustür, sodass der oder die Käufer*in dann abwartet bis ich einen gewissen Abstand habe. Die Vorsicht bekomme ich auch dann zu spüren, wenn ich an Türen klingele, wohinter sich Menschen in Quarantäne befinden. Da bin ich ganz Dankbar für Gegensprechanlagen, die zur kontaktlosen Kommunikation beitragen. Ich muss auch sagen, dass die Betroffenen da sehr verantwortungsvoll sind. Und natürlich gibt es einige Menschen, die wirklich Angst haben und aus Respekt denen gegenüber trage ich eine Maske und versuche immer den Abstand zu wahren, da ich ja auch mit dem Betreten eines jeden Gebäudes in die persönliche Sphäre der Menschen eintrete, die keine Waren bestellt haben. 

5. Gibt es einen höheren Arbeitsaufwand? Merken Sie, dass die Menschen vermehrt online einkaufen (müssen)?

Ja! Also wenn man davon ausgeht, dass die Deutsche Post DHL in dem Jahr 2020, nach eigenen Angaben, nur in Deutschland 1,83 Milliarden Pakete transportierte und somit eindeutig mehr als in dem Jahr 2019 vor der Corona-Zeit, da waren es nämlich 1,59 Milliarden, dann kann man sich sicher sein, dass es da einen Mehraufwand gab. 
Ich weiß auch, aus privaten Unterhaltungen mit den Kund*innen, dass sich viele hingezogen fühlen, bei den kleinen Unternehmen zu bestellen, damit diese eben nicht an der Krise scheitern.

Paketauto von innen.

6. Hat sich das durchschnittliche Alter der Kund*innen geändert?

Das kann ich nicht so genau beurteilen. Meinem Gefühl nach hat sich der Altersdurchschnitt zum Jahresende hin schon erhöht. Ich denke, das lag vor allem daran, dass Weihnachtsgeschenke online gekauft wurden oder eben auch viele Pakete als Präsente verschickt wurden, da sich Familien nicht treffen wollten und konnten. Mir ist auch aufgefallen, dass viele Ältere ganz unverhofft Päckchen von Angehörigen erhalten haben. Und demnach würde ich behaupten, hat sich das Alter verändert. 

7. Spüren Sie besondere Dankbarkeit?

Das würde ich auch mit einem klaren „Ja“ beantworten. Mir fallen da eben diese überraschenden Paketsendungen ein, woraus sich auch oft ein kurzes Gespräch ergibt, dass solche Dinge vorher seltener geschahen als jetzt zu dieser Zeit. Die Leute freuen sich sehr über überraschend eintreffende Pakete.
Ich höre oft ein „Danke“, weil ich das Paket noch nach oben gebracht habe, obwohl ich doch „schon den ganzen Tag genug zu tun oder zu laufen habe“. Dann bekomme ich eben auch mal Trinkgeld überreicht oder in der Weihnachtszeit gab es viele Plätzchen als Dankeschön. Beliebt sind auch selbstgemachte Marmelade oder andere eingeweckte Lebensmittel. – Und nicht zuletzt bekomme ich oft ein ganz herzliches „Dankeschön“. Also ich spüre dieses Dankbarkeit und ich glaube auch, ich ‚trage’ diese (im wahrsten Sinne des Wortes 😉 ) mit aus, weil ich unglaublich dankbar bin, diesen sicheren Job zu dieser unsicheren Zeit ausüben zu können!

8. Welche Situationen sind besonders herausfordernd?

Da ich persönlich nur drei Mal wöchentlich arbeite, muss ich bei dieser Frage sofort an alle meine Kolleg*innen denken, die sich täglich auf den Weg der Zustellung begeben. Denn ich glaube, dass diese Menge an Paketen nicht immer leicht zu händeln ist. Und dabei denke ich gar nicht vorrangig an die körperlichen Belastungen, sondern an den eigenen Anspruch der Qualität der Zustellung. Denn ich kann mir vorstellen, dass es nach vier oder fünf Tagen schon schwer wird, das Pensum zu schaffen und stets den eigenen Anspruch der Freundlichkeit zu wahren. Manchmal bleibt einfach keine Zeit für ein nettes kurzes Gespräch…
 Für mich persönlich ist es herausfordernd, wenn ich mal wieder eine ganze Straße mit meinem großen, gelben Auto blockieren muss. Das mache ich nicht, um alle anderen Autos hinter mir zu ärgern, sondern es sind manchmal einfach zu viele Pakete für ein Haus, um an der nächsten Ecke zu parken und dann mit der vollbeladenen Sackkarre den Weg zurück zu bestreiten. Das fordert mich sehr heraus, weil ich mir nur denken kann, wie genervt die hinter mir wartenden Autos wohl sein müssen. 

Die beschriebene Situation: das Auto blockiert die Straße. 😉

9. Gibt es Dinge, welche sich etabliert haben und die Sie als angenehm empfinden?

Da fällt mir sofort eine Sache ein, die wahrscheinlich auch schon allen Kund*innen aufgefallen ist: für dem Erhalt eines Paketes ist keine Unterschrift des Empfängers notwenig. Diese Tatsache ist natürlich aus Infektionsschutzgründen entstanden, hat aber auch dazu den Zustellungsprozess und -ablauf erleichtert und beschleunigt – was mir als Zustellerin tatsächlich sehr zu Gute kommt.

10. Und nun noch eine persönliche Frage zum Schluss: Was gefällt Ihnen an Dresden besonders gut und was ist Ihr Lieblingsplatz? Hat sich dieser seit Beginn von Corona verändert?

Der hat sich verändert, ja! Also auch hier kann ich einen Bezug zu meinem Job als Paketzustellerin herstellen: Wahrscheinlich bin ich in dieser Stadt noch nie so viel herumgekommen, wie in den letzten neun Monaten. Dresden hat zauberhafte Ecken und ich bin immer wieder überrascht über die Architektur, die sich sogar in den hintersten Ecken der Stadt auftut. Mein neuer „Lieblingsplatz“ ist ein einfacher Parkplatz in einem der Dresdner Straßenzüge, auf welchem ich neulich in der unverhofften Sonne meine Pause gemacht habe und dabei ist mir klar geworden, dass es trotz dieser Zeit so schön und friedlich sein kann, wenn ich mir doch nur die Zeit nehme, den Moment wahrzunehmen – das klingt vielleicht sehr poetisch, aber im Kontrast zu dem Arbeitspensum der Paketzusteller*innen, tut das sehr gut. 😉
Und im Privatleben mag ich es, in einer großen Gruppe an Freund*innen im Alaunpark oder an der Elbe zu picknicken oder einfach nur im Scheune-Café ein Feierabendgetränk zu trinken. Wenn das wieder möglich ist, weiß ich es noch mehr zu schätzen denn je! 🙂

DHL-Paketauto.

Wir sind sehr glücklich über diesen ausführlichen Einblick in den Arbeitsalltag der Paketzustellenden! Vielleicht warten wir beim nächsten Mal mit einem kleinen Funken Verständnis hinter dem zuparkenden Paketauto. 😉 
Hoffen wir, dass den Optimismus unserer Interviewpartnerin jede*r Paketzusteller*in mit sich tragen darf. 🙂 Herzlichen Dank!

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Quellen: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/onlinehandel-dhl-erwartet-auch-nach-corona-mehr-pakete-17143861.html

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