10 Fragen an eine Drag Queen aus Dresden

Aufwendiges Make-up, bunte Perücken und immer ein guter Spruch auf den Lippen – das ist wahrscheinlich das erste, was einem in den Kopf kommt, wenn man an Drag Queens denkt. Doch stimmt das überhaupt? Wir haben die Dresdner Drag Queen Debbie Jellinsky (25) interviewt und ihr genau solche und noch weitere spannende Fragen zum Thema Drag und Travestie gestellt – darunter auch eure Fragen, die ihr uns auf Instagram mitteilen konntet!

Für alle, die noch nie etwas von einer Drag Queen gehört haben, hat Debbie hier übrigens noch eine kurze Erklärung für euch: Eine Drag Queen ist eine Person, die in künstlerischer und humoristischer Form eine Frau in übertriebener Art und Weise darstellt. Drag Queens arbeiten hauptsächlich im Bereich Show und Entertainment und parodieren zum Beispiel verschiedenste Musikgrößen oder Stars; sie nutzen ihre Kunst allerdings auch, um auf politische Themen aufmerksam zu machen.

1. Seit wann machst du Drag und wie bist du dazu gekommen?

Ich trete seit 2015 öffentlich als Drag Artist auf. Damals habe ich ahnungslos durch meine YouTube-Startseite gescrollt und bin dabei auf ein Video des Berliner Schauspielers und Travestiekünstlers Bob Schneider alias Jutta Hartmann gestoßen. Bevor ich dieses Video gesehen habe, hatte ich tatsächlich nur wenige Berührungspunkte mit Travestiekünstlern. Ich war allerdings davon begeistert, was man mit Make-Up alles aus sich machen kann; wie man in eine komplett andere Rolle und Persönlichkeit schlüpfen kann, mit der man ganz andere Sachen sagen kann, die man als Normalo nie sagen könnte oder würde. Ein wenig später habe ich einem guten Freund von meiner neuen Leidenschaft erzählt, der mich dann auf das große Travestietheater „Carte Blanche“ in Dresden aufmerksam gemacht und mir sogar direkt zwei Eintrittskarten für die Show geschenkt hat. Nach der Show war es um mich geschehen und ich wollte Travestie unbedingt selbst probieren! Ich habe dann meine ersten Schminkversuche gestartet und die ersten Kleider und Pumps gekauft – die habe ich übrigens bis heute noch und sind eine schöne Erinnerung an die Anfangszeit. 2014 bin ich dann beim Dresdner Christopher Street Day das erste Mal als Drag
Queen auf die Straße gegangen. Nachdem ich ein Jahr später nach Bremen umgezogen bin, habe ich Veranstalter aus verschiedenen Partyreihen kennengelernt und so dann meinen ersten Job als Debbie Jellinsky bekommen. Zu meinem Künstlernamen bin ich durch den Film „The Addams Family“ und durch meinen bürgerlichen Namen gekommen.

2. Ist Drag ein Beruf oder ein Hobby für dich?

Beides. Drag mache ich nebenberuflich. Ich arbeite noch Vollzeit in meinem gelernten Beruf und mache auch nach acht Stunden Schicht gerne noch eine Show, weil es meine absolute Leidenschaft ist. Natürlich nicht jeden Tag, noch lassen es meine Kräfte aber zu. Mein Traum ist es aber trotzdem irgendwann, Drag zu meinem Hauptberuf zu machen. Zum Beispiel als Teil eines Ensembles, auf Tournee oder vielleicht sogar mit einer kleinen Showbar.

Debbie mit Mikrofon und orangener Perücke bei einem Auftritt.
Debbie in voller Aktion bei einer Show.

3. Wie lange dauert die Verwandlung zur Drag Queen und was gehört da alles dazu?

Die Komplett-Verwandlung nimmt circa 2 bis 2,5 Stunden in Anspruch. Das A und O ist dabei eine vernünftige Gesichtsroutine mit guter Hautpflege bei der Spachtelmasse, die wir uns in diesem Beruf tagtäglich ins Gesicht schmieren. Viel macht dabei auch das Abkleben meiner echten Augenbrauen aus, was wir mit einem ganz normalen Klebestift machen. Die neuen Augenbrauen und das restliche Augen-Makeup wird dann viel höher und über meinen normalen Gesichtszügen aufgetragen.

4. Fühlst du dich als Drag Queen als ganz anderer Mensch mit anderer Persönlichkeit?

In beiden Persönlichkeiten, David wie Debbie, steckt ein bisschen von jedem. Debbie ist aber natürlich lauter, direkter und hat den einen oder anderen Spruch auf Lager. Ich sehe Debbie als eine Art Erweiterung meiner eigenen Persönlichkeit. Am Ende ist es aber dasselbe Herz, das in der Brust schlägt.

5. Wo trittst du als Drag Queen auf und was ist das Besondere an diesen Auftritten?

Ich arbeite hauptsächlich als sogenannter „Haus- und Hof-Transvestit“ in der BOYS Bar in der Dresdner Neustadt. Hier moderiere ich mit Herzblut und spitzer Zunge die Bingo- und Karaokeshows. Ich bin aber auch oft gebucht für Hochzeiten, Geburtstags- und Firmenfeiern oder Junggesellenabschiede, was mir immer besonders viel Spaß macht. Oft tauche ich auf solchen Feiern dann als Überraschungsgast auf – immer wieder schön, die erstaunten Gesichter zu sehen, die mit sowas nie gerechnet hätten!

6. Wie reagiert(e) dein Umfeld auf dich als Drag Queen?

In meinem privaten Umfeld bekomme ich durchweg positives Feedback und großes Interesse für meine Kunst. Auf der Straße, vor allem bei Tageslicht, ernte ich mit meiner Optik natürlich oft viele Blicke und große Augen. Ich würde mir wünschen, dass mir so manches Hinterherrufen oder Pfeifen erspart bleibt, was ich weitestgehend aber versuche zu ignorieren.

7. Wie sieht eigentlich ein ganz normaler Tag bei dir aus?

Out of Drag, also wenn ich David bin und nicht Debbie, sieht mein Tag eigentlich aus wie der normale Tag von jeder und jedem anderen. Das heißt: Aufstehen, Kaffee trinken, Arbeiten gehen, nach Hause kommen, schlafen and repeat. Wenn ein normaler Showtag ansteht, beginnt der mit einem starken schwarzen Kaffee, Rasieren und Gesichtspflege und jeder Menge Zeitpuffer, denn ich hasse nichts mehr als Zeitdruck. Dann geht es entspannt in die Maske.

8. Wie tolerant ist Dresden gegenüber Drag Queens? Musstest du dahingehend hier schon negative Erfahrungen machen?

Seit 2023 bin ich zurück in Dresden, vorher habe ich ja acht Jahre in Bremen gelebt, wo ich meine Kunstfigur erst so richtig habe aufleben lassen. In Bremen war es für mich wegen einigen Erfahrungen und Berichten von Freund*innen oder Bekannten beispielsweise ausgeschlossen, in Make-Up und Perücke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren… ist schlichtweg zu gefährlich. Taxifahrten haben damals und auch heute zum festen Ablauf gehört. In Dresden bin ich tatsächlich schon in Drag Straßenbahn gefahren, was zum Glück nie Probleme oder Bauchschmerzen bereitet hat. Trotzdem ziehe ich Taxifahren immer vor. Ich kann glücklich behaupten, dass ich bis auf diverse Beschimpfungen auf offener Straße keine negativen Erfahrungen machen musste. In anderen Städten sieht das leider ganz anders aus. Viele meiner Freund*innen und Kolleg*innen haben schon Erfahrungen mit Gewalt aufgrund von Hass und Intoleranz machen müssen. Hier muss immer noch viel passieren in unserer Gesellschaft, wir sind noch lange nicht am Ziel!

Debbie mit einer Tanzgruppe auf der Bühne
Auch für Bühnenauftritte wird Debbie oft gebucht.

9. Wie queerfreundlich erlebst du Dresden im Allgemeinen?

Ich denke, ich wohne noch nicht lange genug in Dresden, um die Queerfreundlichkeit hier richtig einschätzen zu können… Aber ich kann trotzdem sagen, dass ich mich nicht trauen würde, mit meinem Partner Hand in Hand durch die Stadt zu laufen. Viele Menschen denken, wir hätten alles erreicht, doch das ist längst nicht so. Es passieren immer noch tagtäglich queerfeindliche Angriffe, Diskriminierung und Ausgrenzung. An die Dunkelziffer möchte ich kaum denken. Ich wünsche mir für Dresden, dass wir viel mehr nach dem Motto „Leben und leben lassen“ gehen. Man muss ja nicht alles gut finden und das erwartet auch keiner. Was man aber erwarten kann, ist eine gesunde Portion Respekt und Würde.

10. Und zum Abschluss: Was ist für dich das Schöne und Besondere am Drag?

Ich liebe die Kunst der Verwandlung. In meiner Rolle kann ich Sachen sagen, die ich privat so vielleicht nicht sagen würde. Ebenso ist es meine Leidenschaft, Menschen zu unterhalten und sie für ein paar Stunden aus ihrem Alltag und so manchen Problemen entführen zu können. Meine Kunst eröffnet so viele neue Möglichkeiten und ich lerne wahnsinnig viele Menschen kennen. 2021 hatte ich zum Beispiel die Ehre, die Sängerin Loona kennenzulernen und gemeinsam mit ihr ihre Top-Hits wie „Bailando“ oder „Vamos ala Playa“ auf der Bühne vor tausenden Menschen zu performen.

Debbie im Rampenlicht bei einem Auftritt.
Bei sogenannten Drag-Shows treten Drag Queens exklusiv auf!

Wir danken Debbie für das spannende Interview und für die Möglichkeit, einen Einblick in den Alltag einer Drag Queen zu erhalten! Haltet bei der nächsten Dresdner Veranstaltung die Augen auf, vielleicht seht ihr Debbie ja auf einer Bühne oder einem Umzugswagen auf dem Christopher Street Day. 😉 Habt ihr noch weitere Fragen? Schreibt sie gern in die Kommentare!

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