Die beliebteste Kreuzung Dresdens- das „Assi-Eck“

Fast jedem Dresdner ist die Kreuzung Rothenburger/Louisenstraße als sogenanntes „Assi-Eck“ bekannt. Es gibt in Dresden wohl kaum eine Kreuzung, welche so bekannt und belebt ist wie diese. Für Nicht-Dresdner wohl sehr unvorstellbar, sich an irgendeine Kreuzung des Szenenviertels zu setzen, gehört genau das für die „Jung`schen“ unter uns einfach zum Nachtleben in dieser Stadt dazu. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass aus dieser schlichtweg zufälligen Kreuzung in der Neustadt ein derartiger Ballungspunkt geworden ist? Und was hat es mit diesem Namen auf sich? Wie es dazu kam und was diese Kreuzung für die Anwohner mit sich bringt, erzählen wir euch hier.

Wenn man auf Google „Assi-Eck“ eingibt, ploppt prompt ein Eintrag mit Kommentaren dazu auf. „Liebster Lieblingsplatz, sobald es ein bisschen wärmer ist! <3“, schreibt einer, „Ein legendärer Ort.“ ein anderer. Ad hoc fällt mir keine andere Kreuzung in einer anderen deutschen Stadt ein, die so viel Aufmerksamkeit und ja, auch publicity bekommt. Und keine, die von sich behaupten kann, eine eigene Facebookseite zu haben.

Doch diese Aufmerksamkeit kommt nicht aus dem Nichts: Freitag- und Samstagnacht ist hier unglaublich viel los. Viele Gruppen treffen sich in der Abendsonne bereits im Alaunpark. „Wenn es dunkel wird geht es dann Richtung Assi-Eck.“, erzählt mir einer, den ich auf dem Weg treffe. Dort kann es dann unter anderem sehr voll werden: der gesamte Bürgersteig und die Straßen sind von Jugendlichen wortwörtlich besetzt. Sie sitzen dort, wo tagsüber eine mehr oder minder rege Kreuzung ist: auf dem Fußgängerweg, auf dem Bürgersteig, auf der Straße. Feste Absperrungen an den Ecken dienen als Fahrradständer und zum Anlehnen. Es ist ein Phänomen, welches es in kaum einer anderen Stadt gibt, und es fasziniert viele Besucher von außen: Touristengruppen laufen nachts über die Kreuzung und schießen Fotos von den Jugendlichen. Oft kommen Musiker mit ihren Gitarren und Verstärkern vorbei und spielen Hits aus den letzten Jahrzehnten, manchmal gibt es auch sogenannte spontane „Mülltonnenkonzerte“, wozu die Leute auf der Straße tanzen. Die Szenerie und Atmosphäre hier am Wochenende lässt einen völlig vergessen, dass man in Dresden und nicht irgendwo in Spanien ist. Die Spätis, Bars und Dönerläden im Umkreis florieren und erfreuen sich regem Kundenbesuch. Und das alles trotz regem Verkehr und der kreuzenden Straßenbahnlinie 13. Das kann in den späten Stunden natürlich auch gefährlich werden. Oft blockieren die Sitzenden die Straßenbahn. Deshalb fährt die 13 nachts oft Umleitung. Viele würden sich vielleicht wünschen, die Kreuzung auch ganz für Autofahrer zu sperren, ob das jedoch tatsächlich passieren wird, ist unklar.

Wie wurde die Kreuzung Rothenburger/Louisenstraße zum „Assi-Eck“?

Die folgende Story hinter der Entstehung des „Assi-Ecks“ als zentralen Treffpunkt für derartige Massen von Jugendlichen ist wohl eher eine urbane Legende, als eine nachgewiesene, handfeste Historie. Um ehrlich zu sein, habe ich sie auch nur von jemandem gehört, der sie von jemandem gehört hat: Früher pflegten die Jugendlichen wohl an der Alaunstraße zu sitzen, direkt vor der Scheune. Bis betonierter Platz gebaut wurde-ein ungemütlicher Ort zum Treffen. So musste etwas anderes her: und die Jugendlichen rückten einfach eine Kreuzung weiter. Das erste Mal wird das „Assi-Eck“ namentlich übrigens in einem Beitrag der Zeitschrift „Neustadt-Geflüster“ im Februar 2014. Thema ist-natürlich- der fehlende Platz und wie die Jugendlichen die vorbeifahrende Straßenbahn „streicheln“.

Woher der Name kommt, erübrigt sich. Es war der wohl naheliegendste Begriff, für Jugendliche, die Abends auf dem Bordstein einer Kreuzung sitzen und Bier trinken. Für Außenstehende vielleicht abfällig klingend, ist der Name „Assi-Eck“ für die regelmäßigen Besucher eher ein Wort, was man selbstironisch mit einem schiefen Schmunzeln auf den Lippen benutzt.

Dieser Bürgersteig ist bei Nacht meist gar nicht mehr zu sehen.

So viel positive Aufmerksamkeit das Assi-Eck bekommt, genauso viel negative bekommt es auch. Regelmäßig berichten Dresdner Medien über die „asoziale Ecke“ und über die dortigen Vorkommnisse. Die Besetzung der Straße und die Lahmlegung des Verkehrs sind ein häufiges Thema, aber auch einige Kuriositäten, wie spontane Konzerte oder die Anbringung einer Schaukel am Ampelmast. Das Assi-Eck ist auch der Schauplatz vieler Prosteste; so wurde es 2016 beispielsweise von 150 jungen Menschen mit Möbelstücken besetzt- Grund für den Protest der Nestädter war die Gentrifizierung und Erhöhung der Mietpreise.

Natürlich sind nicht alle Beteiligten zufrieden mit der Situation am Assi-Eck. Autofahrer fühlen sich gestört, Anwohner sind die Lautstärke inzwischen wohl gewohnt und ziehen in Bewusstsein, dessen auch hin. Problematisch sind jedoch vor allem jüngste Entwicklungen an der beliebten Kreuzung: einige Besucher benehmen sich schlichtweg daneben, blockieren Straßenbahnen absichtlich, lassen Müll liegen. Als ich meinen Beitrag über Musikläden in Dresden schrieb, unterhielt ich mich mit einem Mitarbeiter des Musikladens an der berühmten Ecke über die Tags an den Wänden des Stores. Er war davon natürlich überhaupt nicht begeistert. Derzeit ist des Öfteren auch die Polizei oder das Ordnungsamt am Assi-Eck anzutreffen. Sie verweisen die Jugendlichen von der Straße und haben in der Vergangenheit auch bereits Bußstrafen verhängt. Sie berufen sich hier auf den Paragraphen 1 Abs. 2 StVO: Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Verstöße werden mit 20 Euro geahndet.

Wie sich in den kommenden Wochen und Monaten die Situation am Assi-Eck entwickeln wird, lässt sich natürlich nur sehr schwer voraussagen. Die Hauptsache ist, dass alle Beteiligten lösungsorientiert und auf vernunftbesonnen an die Situation herangehen. Denn eine Ausschreitung in jegliche Richtung wär schade um die beliebteste Kreuzung Dresdens. Letztendlich ist mehr als nur ein zufälliger Treffpunkt für irgendwelche Jugendliche. Es ist sozusagen ein Teil der Dresdner Identität. Es ist wohl der offensichtlichste Beweis, wie sehr das junge Leben in Dresden pulsiert und dass diese Stadt das Zeug dazu hat, eine Metropole der Jugendkultur zu werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.