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10 Fragen an einen Pfleger in Zeiten von Corona

Mittlerweile haben wir schon einige Personen im Interview gehabt, welche interessante Geschichten aus dem Corona-Alltag zu erzählen hatten. Eine Apothekerin, drei Mütter, eine Paketzustellerin. Nun haben wir auch zehn Fragen an die Berufsgruppe gestellt, die wohl die größte Aufmerksamkeit seit Frühjahr 2020 auf sich gezogen hat: die Pflege. 
Ein Krankenpfleger berichtet aus seiner Sicht: 

1. Wir gehen noch mal kurz zum Dezember 2019 zurück: Die chinesische Stadt Wuhan hält sich mit einer ausgebrochenen Pandemie in den Schlagzeilen. Gab es in der Klinik schon Vermutungen, dass wir uns alle bald in einem Ausnahmezustand befinden?

Sicherlich gab es in der Klinik Menschen, die schon eine Vermutung hatten, dass sich die Pandemie auch auf Deutschland übertragen wird. Für mich persönlich war das sehr fern. Ich denke, dass sich das heutige Szenario auch keiner meiner Kolleg*innen vorgestellt hat. Jedenfalls nicht im Dezember 2019. Interessanterweise hat mir mal eine bekannte Hygienefachkraft vor etwa fünf Jahren gesagt, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Pandemien werden wird. Diese Aussage hatte ich tatsächlich im Hinterkopf. Hoffen wir trotzdem, dass sie nicht weiterhin Recht behalten wird. 

2. Als die Pandemie sicher da war und der erste Lockdown beschlossen wurde, was änderte sich in der Klinik?

Schlagartig änderte sich sehr viel: angefangen beim Besuchsverbot, welches sehr emotional für viele Patient*innen und deren Angehörigen war und ist. Allerdings auch nachvollziehbar… Überall hingen Schilder mit Hygienehinweisen, Untersuchungen wurden abgesagt, Operationen verschoben und die Maskenpflicht war plötzlich oberstes Gebot. Anfangs trugen wir selbstgenähte Masken, weil man große Lieferengpässe befürchtete. -Das ging ja damals auch viel durch die Medien…
Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Klinik rasant auf die bevorstehenden Coronapatient*innen vorbereitet wurde.

In der Klinik gelten noch strengere Hygienemaßnahmen als zuvor.

3. Welche Schutzmaßnahmen haben sich durchgesetzt? Gibt es Maßnahmen, die sich nicht halten konnten?

Das Besuchsverbot wurde zunächst wieder gelockert, geplante Untersuchungen und Operationen wurden durchgeführt und auch die freigehaltenen Betten auf der Intensivstation füllten sich wieder mit „Nicht-Corona-Patient*innen“. Natürlich wurde stets ein Teil freigehalten. Die Maskenpflicht blieb bestehen und es wurden im Laufe der Zeit immer mehr Covid-Tests durchgeführt. Im Herbst wurde alles wieder viel strenger.

Ein Schnelltest für Covid 19.

4. Können Sie kurz das Jahr 2020 beschreiben? Welchen Einfluss hatte es auf den Klinikalltag? Und welche Unterschiede kann man zwischen Sommer und Winter feststellen? 

Tatsächlich verlief der Klinikalltag im Sommer nahezu normal. Zu diesem Zeitpunkt gab es ja auch kaum Corona-Patient*innen. Zumindest haben sie auf den meisten Stationen nicht den Alltag auf den Kopf gestellt. Das ging erst Mitte bzw. Ende Oktober los. Plötzlich füllte sich die Intensivstation, mehrere „normale“ Stationen wurden zweckentfremdet und dienten als Corona-Station. Und auch auf unserer Abteilung wurden erstmals Patient*innen sowie Personal positiv getestet. Zudem mussten mehrere Pfleger*innen und Ärzt*innen in Quarantäne, weil sie privat zu Kontaktpersonen wurden. Nun war das Corona-Drama auch bei uns angekommen und ist es immer noch. Glücklicherweise haben wir uns auf unserer Station im Frühjahr 2020 bereits optimal auf den Ernstfall vorbereitet. Im Herbst zahlte es sich dann tatsächlich aus. Es ist durchaus sehr anstrengend, aber irgendwie halt auch machbar.

5. Wie ging das Personal mit der Situation um? Gab es viele, welche die Situation unterschätzten und wie sieht die Einstellung jetzt aus? 

Bis zum Herbst 2020 waren die Zahlen derer, die auf Covid 19 positiv getestet wurden, besonders hier in Sachsen, sehr niedrig. Kaum jemand kannte jemanden, der positiv war. Weder in der Klinik noch privat. Dementsprechend gab es auch viele skeptische Stimmen. Mittlerweile gibt es diese „kritischen“ Meinungen nicht mehr. Jedenfalls höre ich sie überhaupt nicht mehr. Wenn man sich die aktuelle Situation in der Klinik anschaut, ist es auch schwer zu leugnen, dass es Corona gibt bzw. harmlos ist…

6. Welche Belastungen hat das Personal im Arbeitsalltag?

Zu dem ohnehin schon sehr knappen Personalschlüssel kommen nun auch viele Krankmeldungen, da sich immer jemand in Quarantäne befindet. Die Lücken zu füllen ist manchmal gar nicht so leicht. Außerdem wird Personal von den Coronastationen abgerufen. Sie brauchen einfach momentan am dringendsten Hilfe. Die Pflegenden müssen sehr häufig kurzfristig Einspringen oder Dienste tauschen. Man muss auch ehrlich sagen, dass das dauerhafte Tragen der FFP2 Masken eine zusätzliche Belastung darstellt. Außerdem haben die Coronapatient*innen allgemein einen höheren Pflegeaufwand. Wir sprechen hier schließlich von Schwerkranken und meistens alten, pflegebedürftigen Menschen. Ein höherer Aufwand kommt noch durch die spezielle Schutzkleidung hinzu. Und was auch oft unterschätzt wird, ist die emotionale Belastung. Auf unserer Station sehen wir viele Patient*innen regelmäßig über Jahre hinweg. Sie leiden und teilweise sterben zu sehen, ist für viele nicht ganz einfach. Auch wenn wir es gewohnt sind, Patient*innen gehen zu lassen, kommt momentan einfach alles auf einmal und Situationen, die man sonst gut verarbeiten konnte, geben einem derzeit manchmal den Rest. 

Pflege einer älteren Person.

7. Wird das Privatleben beeinflusst? 

Aufgrund des Mehraufwandes in der Klinik und des häufigen Einspringens an freien Tagen, ist es definitiv eine enorme Belastung für das Privat- und Familienleben. Die Kitas und die Schulen sind geschlossen – die überarbeiteten Pflegerinnen und Pfleger dürfen zu Hause also straff weiter arbeiten und ihre Kinder „unterrichten“. Meine Kinder sind noch nicht schulpflichtig und darüber bin ich, ehrlich gesagt, grad ganz froh. Ich bewundere die Eltern, die grad Job und Homeschooling unter einen Hut bekommen! Oder wenigstens eine Strategie finden, nicht durchzudrehen. 😉

8. Gibt es positive Veränderungen in der Klinik „dank“ Corona? 

Die Mitarbeitenden schleppen sich nicht krank auf Arbeit, sondern bleiben bei Symptomatik zu Hause. So steckt sich niemand an und für den persönlichen Heilungsprozess ist es natürlich viel gesünder. Das ist etwas, was hoffentlich bleiben wird! Und ich würde sagen, dass der Zusammenhalt im Allgemeinen größer geworden ist. Der Alltag ist momentan nur zu schaffen, wenn alle an einem Strang ziehen und irgendwie ist es ein schönes Gefühl, wenn man im Team Hürden bewältigt. 🙂

9. Wird sich Ihrer Meinung nach die Pflege nachhaltig ändern? 

Nein. Leider nein…
Davon wird jetzt vielleicht geredet, aber dennoch gewartet bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. -Das ist meine Meinung. Ich hoffe, ich irre mich.

10. Letzte Frage ist eine persönliche: auf was freuen Sie sich in Dresden am meisten, wenn die Lage sich verbessert hat und das Leben sich der Normalität nähert?

Ich freue mich so sehr mit meiner Familie ins Restaurant zu gehen, mit meinen Kindern ins Freibad oder Puppentheater zu gehen und mit Freund*innen Konzerte zu besuchen. Wie schön wird es ein Bier/Wein/Kaffe/Wasser in großen Gruppen zu verzehren?! Im Alaunpark, an der Elbe, im Großen Garten..- eigentlich völlig egal wo 😀 Der Verzicht momentan wird uns in diesen Momenten mit riesiger Dankbarkeit überschütten. – Ich freue mich drauf!

…auch wir freuen uns auf ein Getränk, egal wo, gemeinsam mit vielen Menschen zu trinken. 😉 Vielen Dank für diesen umfangreichen Einblick in den derzeitigen Klinikalltag! Wir ziehen den Hut vor dem gesamten Personal und hoffen, dass sich die Situation bald entspannen wird.
Danke!
!

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