10 Fragen an eine Friedhofsgärtnerin aus Dresden

Julia ist 21 Jahre alt und arbeitet seit 1,5 Jahren auf dem Johannisfriedhof in Dresden Tolkewitz – jedoch nicht als Bestatterin oder in der Friedhofsverwaltung, sondern als Friedhofsgärtnerin! Sie gehört zu den wichtigsten Mitarbeitern auf dem Friedhof und sorgt mit ihrer Arbeit dafür, dass Gelände und Gräber in dem Zustand bleiben, wie Angehörige sie vorfinden wollen, wenn sie ihren Liebsten gedenken. Wir haben Julia interviewt und erfahren, wie sie zu diesem ungewöhnlichen Beruf gekommen ist und wie ihr Arbeitsalltag aussieht, aber auch dass dieser Job nicht nur körperlich anstrengend ist.

1. Julia, wie bist du zu deinem eher ungewöhnlichen Beruf als Friedhofsgärtnerin gekommen?

Ich hatte damals nie einen klassischen „Traumjob“, war aber schon immer gern in der Natur unterwegs und an Pflanzen interessiert. Nach der Realschule habe ich dann in Pillnitz eine dreijährige Ausbildung zum Zierpflanzenbau-Gärtner gemacht. Nachdem ich meine Ausbildung bestanden hatte, konnte ich von meinem Ausbildungsbetrieb leider nicht übernommen werden und musste mir somit natürlich etwas Neues suchen. So bin ich an meinem jetzigen Arbeitsplatz, dem Johannisfriedhof, gelandet.

2. Gibt es überhaupt eine direkte Ausbildung zur Friedhofsgärtnerin?

Ja, es gibt tatsächlich eine Ausbildung zum Friedhofsgärtner. Friedhofsgärtner ist neben Zierpflanzenbau, Baumschule, Staudengärtnerei, Obstbau, Gemüsebau und Garten- und Landschaftsbau eine von sieben Fachrichtungen im Gartenbau. Die Ausbildung ist dual und geht drei Jahre, man kann diese aber auch verkürzen. Der Unterricht findet an einer Berufsschule und der Praxisteil im Betrieb statt. Danach ist eine Weiterbildung zum Techniker oder Meister an der Fachhochschule in Pillnitz möglich.

3. Wie sieht denn dein Arbeitsalltag aus, was gehört zu deinen Aufgaben?

Jeder Tag ist unterschiedlich! Bei uns auf dem Friedhof hat jeder seine festen Quartiere, für die er verantwortlich ist. Aktuell ist die Sommerbepflanzung in voller Blüte, jedoch kommen wir bei der Hitze neben dem Gießen momentan zu nichts anderem mehr… Trotzdem gibt es einen relativ typischen Jahresrhythmus, an den wir uns halten: im März, also nach Ende des Winters, nehmen wir das Reisig von den Gräbern und entfernen die Gestecke von unseren Pflegegräbern, um erstmal wieder eine Grundordnung zu schaffen. Wir bereiten die Gräber in dem Zuge auch auf die Frühjahrsbepflanzung vor, bepflanzen sie dann und schneiden die Begrünung auch zum ersten Mal, also z.B. die Zier- oder Formgehölze und die kleinen Hecken. Später, circa ab Kalenderwoche 20, wechseln wir zur Sommerbepflanzung. Da heißt es dann natürlich: gießen, gießen, gießen! Gleichzeitig müssen wir im Sommer aber auch die zweite Runde schneiden, Unkraut ziehen, Verblühtes ausputzen und nachdüngen. Im Spätsommer entfernen wir dann wieder die Sommerbepflanzung und graben alles um, um die Herbstbepflanzung drauf zu setzen. Im Herbst müssen wir dann vor allem das ganze Laub zusammenkehren, aber auch die Gräber mit Reisig abdecken, um sie vor Kälte zu schützen. Außerdem liegt der Totensonntag im Herbst – dafür machen wir immer alles schick. Ende Herbst ist dann Saisonende. Zwischendurch gehören aber auch noch andere Aufgaben zu meiner Arbeit, z.B. Freischneidearbeiten, die Neubepflanzung von Grabstellen oder die Pflege der kulturhistorisch wertvollen Stellen oder der Stellen, die keine Angehörigen mehr haben.

Bepflanzte Gräber auf einem Friedhof.
Der Job als Friedhofsgärtner*in ist sehr abwechslungsreich.

4. Welche Tätigkeiten führst du dann im Winter aus, wenn z.B. wochenlang Schnee liegt?

Ich bin nur als Saisonkraft angestellt, also von März bis November. Von Dezember bis Februar bin ich dann sozusagen arbeitslos. Diese Winterpause ist allerdings für den Körper echt nötig, man ist total erschöpft. Einige sind aber auch das ganze Jahr fest angestellt, die Beisetzungen laufen ja ganz normal weiter. Außerdem muss sich jemand um die Pflege und Wartung von Maschinen und Geräten kümmern und den Winterdienst machen. Für die Grabpfleger geht es dann am 1. März wieder los.

5. Was gefällt dir denn am meisten an deiner Arbeit?

Ich mag vor allem das selbstbestimmte Arbeiten. Ich kann früh selbst entscheiden, was ich mache, es muss nur alles ordentlich sein. Außerdem habe ich viel Bewegung; ich gehe bis zu 30.000 Schritte pro Tag! Am meisten mag ich die Pflanzplanung und deren Ausführung; perfekt geschnittene Begrünungen befriedigen mich. 😀

Man ist bei dieser Arbeit aber auch den ganzen Tag allein und es kommt natürlich keiner auf den Friedhof, weil er glücklich ist, damit muss man umgehen können. Ich lenke mich während der Arbeit deshalb oft mit Musik oder Podcasts ab. Zudem bist du immer draußen, egal ob es regnet, gewittert oder extrem heiß ist. Du bist jeder Witterung ausgesetzt. Auch die Arbeit ist körperlich schwer, man ist zum Feierabend einfach erschöpft. Trotzdem mag ich meinen Beruf sehr.

6. Kennst du die persönlichen Schicksale der Toten oder der Familien? Wie gehst du damit um?

Ich bin ja noch nicht so lang auf dem Friedhof, deshalb kenne ich nur von einigen die Schicksale. Die Angehörigen schütten einem oft das Herz aus und klagen über ihr Leid aus allen Lebenslagen, seien es die verwöhnten Enkel, Corona, schmerzende Gelenke oder eben der Verlust geliebter Menschen. Ich versuche dann einfach immer, positive Worte zu finden und Kraft zu schenken.

Ein Blumenstrauß mit Gräbern im Hintergrund.
Friedhofsgärtner ist kein leichter Beruf – sowohl physisch als auch psychisch.

7. Betreust du gerade ein Grab, dessen Tote/r du persönlich gekannt hast?

Nein, von Bekannten betreue ich aktuell kein Grab. Ich helfe aber natürlich bei Freunden, die jemanden verloren haben, gern bei der Grabgestaltung! Zu den Pflegegräbern an sich habe ich aber eigentlich keinen Bezug, da ich die meisten Angehörigen nicht kenne, weil sie meist nicht in Dresden wohnen bzw. nicht kommen. Nur wenn man wirklich die Angehörigen und deren Geschichten kennt, geht man mit einem anderen Gefühl ran.

8. Hat dich dein Beruf in irgendeiner Weise verändert?

Ja, ich glaube schon ein bisschen. Ich schätze die Zeit viel mehr, die mir andere Menschen schenken und bin dafür auch unendlich dankbar. Im Umkehrschluss distanziere ich mich aber auch von denen, die meine Zeit nicht schätzen. Außerdem verbringe ich weniger Zeit mit „sinnlosen Dingen“, wie Social Media oder Fernsehen schauen. Ansonsten habe ich auf dem Friedhof aber eben auch sehr viel Zeit zum Nachdenken… Das ist nicht immer gut, man denkt selten an die schönen Dinge. Dadurch gehen einem oft viele negative Gedanken durch den Kopf.

9. Was sagt dein Umfeld zu deinem Beruf?

Die meisten sind erstaunt, wenn sie hören, dass ich als Friedhofsgärtnerin arbeite, den Beruf gibt es ja auch nicht so oft. Meine Oma würde sich natürlich einen leichteren bzw. besser bezahlten Beruf für mich wünschen, trotzdem sind die Reaktionen aber durchaus positiv.

10. Kannst du dir vorstellen, dein Leben lang als Friedhofsgärtnerin zu arbeiten?

Aktuell macht mir die Arbeit auf dem Friedhof Freude. Wenn ich es körperlich packe, kann ich mir gut vorstellen, noch lange hier zu arbeiten. Auf jeden Fall Hut ab an meine älteren Kollegen, die das bis zur Rente so durchziehen! Allerdings kann ich nicht voraussagen, wo meine Reise hingeht oder wie mein Leben in zehn Jahren aussieht. Nur die Arbeitslosigkeit im Winter ist ein großer Minuspunkt, aber mal schauen, es entwickelt sich ja alles weiter.

Eine rote Rose mit Kapelle im Hintergrund.

Friedhofsgärtnerin – ein besonderer Job mit abwechslungsreicheren Aufgaben und Tätigkeiten, als die meisten von uns wahrscheinlich dachten, aber auch ein Job, der wohl oft vergessen wird und zu wenig Anerkennung bekommt, als er verdient. Wir danken Julia für ihre ausführlichen und ehrlichen Antworten und ihre Arbeit, wodurch sie Verstorbenen die letzte Ehre erweist und Hinterbliebenen täglich einen schönen, grünen Ort zum Abschiednehmen aufbereitet!
Hast du noch weitere Fragen an Julia? Schreib es uns gern in die Kommentare!

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