Von dem Traum einer Gruppe junger Menschen in einer Welt, wo eigentlich kein Platz dafür ist. Im Gespräch mit einer Dresdner Band

Von weitem hört man bereits den Bass. Es ist immer der Bass, der einem zuerst entgegendröhnt. Dumpf klingt die Musik, welche man hinter der von Stickern zugeklebten Tür vermutet. Am Einlass sitzen ein paar Leute die man wahrscheinlich kennt, man zahlt ein bisschen was-kaum genug, dass es sich für die Band die gerade spielt lohnt. Man drückt die Tür auf und schon knallt einem eine Wand aus Drums, Gitarrenriffs und Basslines entgegen, die Location ist winzig, sodass man in ein paar Schritten direkt vor der Bühne steht-aber es sind eh kaum Leute da. Doch dafür wird getanzt und gemosht, geheadbangt und gestagedived-ein Freund hat Nasenbluten bekommen-es wird geklatscht und gerufen und obwohl wir so wenige sind, ist die Stimmung so elektrisch, dass jeder einfach mitgerissen wird, ob er will oder nicht.Unsere Eltern wären stolz auf uns“, denke ich an solchen Abenden oft. Es sind die Abende die einem die Hoffnung auf eine wiederbelebte Live-Kultur zurückgeben sollten, so leicht ist es dann aber doch nicht. Handgemachte Musik, wie sie in den Erzählungen unserer Eltern existiert-interessiert das überhaupt noch jemanden?

Wir leben in einer Welt der Digitalisierung, des bequemen Konsums von zu Hause aus, Social Media und das Internet schaffen seit Jahren schon die Illusion, die Qualität des Erlebens im echten Leben ablösen zu können. Das betrifft vorallem auch die Musik, im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten nimmt die Zahl an Bands mit klassischer Besetzung (Drums, Bass, Gitarre, Gesang) drastisch ab, die Live-Kultur wie unsere Eltern sie kannten, stirbt aus. Trotzdem gibt es sie: Bands, welche sich wöchentlich zu Proben treffen, viel Zeit in die Organisation von Auftritten und Aufnahmen stecken, Musikvideos drehen und dauerhaft neue Songs schreiben-obwohl ihre Arbeit dem Geist dieser Zeit wohl kaum gerecht wird.

Eine Newcomer Band aus Dresden – Only Y

Dass dies ein Hindernis aber kein Grund zum Aufgeben ist, zeigt die junge Dresdner Band Only Y, mit welcher ich mich zu einem Interview verabredet habe. Eine Band, wie es sie von der Besetzung her kaum noch gibt: die Rhytmusgruppe, bestehend aus Till an den Drums, vorangetrieben durch die energetischen Basslinien Julius‘ und eingängigen Riffs vom Gitarristen Leopold. Die 3 Instrumentalisten erschaffen einen Sound, welchen es so in keiner anderen Stadt gibt- es ist der sogenannte „Dresdner Sound“, von welchem ich bereits in meinem Artikel über Musikgeschäfte in Dresden sprach. Vervollständigt wird alles vom Sänger Jonas, mit einer Stimme, die man sonst wohl nirgendwo im Radio hört und Texten, welche einem das Gefühl geben, es sei November, egal zu welcher Jahreszeit.

Only Y steht einerseits dafür, die wichtigste aller Fragen-die nach dem „Warum?“-zu verdeutlichen, vorallem im Bezug auf unsere Texte. Und das Ganze mit dem „Y“ und somit nicht auf deutsch, weil es ein kraftvolles Symbol voller Assoziationen ist, aber politisch und anderweitig noch kaum genutzt wurde.Only Y bedeutet einen Finger am Puls der Zeit zu haben und einen zweiten in eben diese Wunde zu legen.“

Only Y: Till, Leopold, Julius und Jonas(v. l. n. r.)

Spotify oder Livegig?

Den Finger am Puls der Zeit? Textlich vielleicht, ja. Aber während früher vorallem im Underground der Besuch von Punkkonzerten in abgelegenen Hinterhöfen und meist nur halblegalen und privat betriebenen Locations einfach dazugehörte, haben die Bands heutzutage oft Schwierigkeiten, mit den Einnahmen über verkaufte Karten geradeso die Miete der Location zu zahlen. „Ich glaube früher musstest du einfach hingehen. Um die neue Musik mitzukriegen, welche gerade gemacht wurde-es gab schliesslich kein Internet worüber man sich alles direkt anhören konnte.“, sagt Julius. Klar, stimmt. Heutzutage wird alles (sobald es gemastert worden ist) direkt auf Spotify und allen anderen Streamingdiensten hochgeladen. Wenn man etwas veröffentlicht, bekommen alle das sofort mit. Aber eigentlich müsste es dadurch doch leichter sein? Dank Facebook, Instagram, Spotify und Co haben junge Bands ja die beste Vorraussetzung, um sich zu präsentieren, Menschen mit ihrer Musik zu erreichen und sich untereinander zu vernetzen. „Alle Bands haben einen unglaublichen Druck dadurch, alles sofort auf Spotify veröffentlichen zu müssen, uns bleibt nichts anderes übrig.“ Till schaut in die Runde. „Man muss mithalten können. Die eigene Musik streambar zu machen, gehört einfach dazu. Dass die Wertschätzung von Musik dadurch verloren geht, vergisst man oft. Ich meine, wie viel zahlt ihr alle für euren Spotify-Account im Monat?!“, antwortet Jonas.

Und ja, sobald eine Band ihre Musik abrufbar zu jeder Zeit und jedem Ort macht, nimmt sie den Zuhörern doch den Grund, zu einem Live-Auftritt der Band zu gehen. Wieso abends weggehen, Eintritt zahlen und dann stundenlang rumstehen, wenn man alles auch mit einem Klick auf Spotify und Co anhören kann? Jede Band, jeder Musiker kennt es: ein Gig steht an und neben der Organisation, den Proben und der Durchplanung des Abends muss man bereits Wochen vorher Bekannte und Freunde wortwörtlich beknien, hinzukommen. Auf die Frage was man machen muss damit Leute zu einem Gig kommen, antwortet Julius spaßhaft: „Ach, am besten macht man den Eintritt kostenlos und holt die Leute persönlich von zu Hause ab!“ Wir lachen, aber nur weil wir alle hier wissen, wie verdammt recht er trotzdem leider hat. „Aber jetzt mal ernsthaft: Konzerte lassen einen aus der Realität flüchten- man geht auf ja ganz bewusst hin. Wenn wir Live spielen, dann sieht man als Künstler was die eigene Musik macht, das ist so viel wert. Auf Spotify sieht man das nicht.“ -„Durch Spotify geht die Vergänglichkeit von Musik verloren.“, fährt Till fort „Jeder Gig ist einzigartig, im Gegensatz zu dem einfachen Anhören von Musik.“

Warum macht ihr Musik?

Die Jungs von Only Y opfern erstaunlich viel Zeit für ihr Projekt. 3 Mal pro Woche proben, hinzu kommen Gigs, Videodrehs, Organisation von Auftritten, wie beispielsweise das „Waldorf Rockt“, welches seit 2014(!) jedes Frühjahr stattfindet und ich stelle die einfache Frage nach dem Warum. Warum macht man das? Eine grobe Richtung der Antworten mochte ich schon vorrausgesehen haben, aber sie zu stellen machte mir am Ende Schwierigkeiten überhaupt alles mitzuschreiben.
Musik ist mein komplettes Leben. 100% meines Leben sind Musik. Natürlich habe ich schon darüber nachgedacht, alleine Musik zu machen, aber ich kann es mir mit niemand anderem, als mit den Jungs hier vorstellen. Natürlich hat jeder seine Schwächen, aber gleichzeitig trägt jeder so verdammt viel dazu bei. Diese Band funktioniert nur mit uns 4. Mit jemand anderem, und wenn es nur einer ist, wäre diese Band tot.“ Jonas lehnt sich wieder zurück und Leo setzt hinzu: „Weil es Spaß macht Musik zu machen. Ich weiss noch ganz genau, wie es war als ich bei einem Heisskalt-Konzert vor der Bühne stand und es einfach so sehr gefühlt habe…Und genau das ist der Grund, warum ich auf diese Weise hier Musik machen möchte; das ist wie Liebe zu schenken.“

Es sind die kleinen Sachen über die Bands wie Only Y sich freuen, über jede einzelne Person, welche sich in einer diesen kalten Novembernächte auf den Weg macht, um sie irgendwo vor ein paar anderen Leuten spielen zu sehen. Jetzt gilt es, weiterzumachen, nicht aufzugeben- auch wenn das für viele Musiker oft viel einfacher erscheint. Es geht hier nicht darum, gleich berühmt oder erfolgreich zu werden, es geht nicht darum von heute auf morgen das Ostragehege zu füllen-vorerst nicht. Sondern darum, Menschen mit dem, wofür man brennt, zu berühren-Liebe zu schenken, wie Leopold gesagt hat. „Wir werden uns dem komplettem Game hier öffnen, wir werden weiterhin Singles und EPs auf Spotify releasen aber das ganze halt trotzdem mit unserer Mucke. Denn der Fortschritt ist nicht aufzuhalten, das geht nicht.“

Und wie ich rausgehe in genau diese Art von kalter Novembernacht an welche mich die Musik dieser Band erinnert, denke ich, dass das alles hier vielleicht doch nicht für umsonst gewesen sein wird. Jede Band verändert die Welt, und wenn es nur ein klitzekleines bisschen ist. Und ich ziehe meine Jacke etwas fester um mich und denke an all die Bands, die ich bisher kennengelernt habe und wie anders meine Welt im Vergleich zu vorher geworden ist. Und vielleicht reicht das ja? Was erwarten wir denn von Zeiten wie diesen?

Only Y veröffentlicht demnächst das Musikvideo zu dem Lied „Sterne“ welches auf ihrer Debüt-EP im März diesen Jahres released wurde. Auch eine Doppel-EP ist für Anfang nächstes Jahr ist angekündigt worden. Only Y gibt es auf Youtube, Spotify und allen anderen Streamingdiensten. Sonstige Infos auf ihrer Internetseite, Facebook oder Instagram.

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