10 Fragen an „Eisen-Feustel“ in der Dresdner Neustadt

Durch die Hintertür betrete ich das Lager des „Eisen-Feustel“, als ich mit Herrn Ollendorf zum Interview verabredet bin. Regale bis unter die Decke, so weit das Auge reicht. Die Gänge ewig lang. Ich kann mir jetzt erklären, warum Herr Ollendorf für mehrere Minuten verschwindet, wenn er für seine Kunden etwas aus dem Lager holt.

Was ist das Geheimnis des „Eisen-Feustel“, der sich seit Jahrzehnten auf der Bautzner Straße hält? Bald geht Herr Ollendorf in den Ruhestand. Wie wird es dann weitergehen?

Die Firma Eisen Feustel als Eisengroßhandel wurde 1921 von Karl Feustel und Herbert Reinhold gegründet. Nach dem Tod von Karl Feustel blieb Herbert Reinhold der alleinige Geschäftsführer. Doch die Firma machte durch Krieg und Großbrand riesige Einbußen. Letztlich übernahm Herbert Reinhold 1955 ein Konkurs gegangenes Eisenwarengeschäft auf der Bautzner Straße und konzentrierte sich fortan nur noch auf den Einzelhandel. 1973 übernahmen seine Töchter Erika und Christine Reinhold den Laden. 1998 gingen die beiden Schwestern in den Ruhestand und übergaben das Geschäft an Herrn Ollendorf, der bis heute fast tagtäglich im Laden seine Kundschaft ein bißchen glücklicher macht!

1. Das Sortiment ist ziemlich breit gefächert. Wie kam es dazu?

Seit den 50er Jahren gibt es im Geschäft Eisenwaren, Werkzeuge und Haushaltswaren. So ist es auch geblieben bis jetzt. Im Grunde, weil sich das die Kunden gewünscht haben. Ich habe auf die Kundenwünsche reagiert und mir gesagt, na gut, dann könntest du das und das noch mit reinnehmen. Das macht man heute auch noch so. Bei den Haushaltswaren ist das nicht ganz so. Da habe ich ein Grundsortiment, mal so für den schnellen Gebrauch. Wer mal schnell was braucht zu normalen Preisen, der kommt halt hierher. Wer was besseres oder was anderes sucht, der muss dann halt doch wo anders hingehen. Alles kann man nicht abdecken.

Der Inhaber des Eisen-Feustel
Der Inhaber des Eisen-Feustel

2. Ich war ja auch schon ein paar mal im Laden, oft mit einem Foto in der Hand, ich hatte immer das Gefühl, Sie wissen sofort über alles Bescheid und haben eine Lösung parat!

Na, manchmal muss ich auch überlegen, vor allem bei Artikeln, die man lange nicht verkauft hat … Haste das noch irgendwo? Es gibt Artikel, die hatte man mal, aber dann hat nie wieder jemand danach gefragt. Irgendwann hab ich vergessen, die neu zu bestellen. Letztlich gibts den Artikel gar nicht mehr. Bei den Schrauben ist das anders. Da sind die Nachfragen sehr umfangreich. Das kann man gar nicht alles abdecken, was es an Schrauben gibt. Das ist gar nicht möglich. Da hab ich aber so nach und nach den Bestand immer wieder erweitert.

3. Wer kommt in den Laden?

Vor 20 Jahren waren es mehr die älteren Leute. Das hat jetzt nachgelassen. Natürlich kommen auch immer noch Ältere, meistens die, die mich von früher her kennen. Meistens kommen jetzt aber jüngere Leute. Die hier in der Gegend wohnen, die nicht unbedingt ein Auto haben oder nicht in den Baumarkt fahren wollen. Es geht immer mehr dahin, dass sich die Jugend sagt, nee, ich geh hierhin, da krieg ich zwei Schrauben, der sagt mir auch am Ende, wie ich die dann festmachen kann in der Wand. Oder was ich brauche, wenn ich ein Regal aufhängen will. Und im Baumarkt steh ich da, und muss mir alles alleine suchen.

4. Welchen Vorteil hat „Eisen-Feustel“ gegenüber einem Baumarkt?

Die Beratung ist sehr wichtig. Da muss man sich auch immer wieder kundig machen, alles weiß man auch nicht, wie was funktioniert. Manchmal muss man auch selber was ausprobieren, eh man dann sagen kann: so hält das!

5. Was haben Sie beruflich gelernt?

Ich war Anlagenfahrer in der Chemieindustrie. Also Facharbeiter für chemische Produktion nannte sich das dann zuletzt in der DDR.

6. Und wie kam das dann, dass Sie den Laden übernommen haben?

Aus der Arbeitslosigkeit heraus. Mein Betrieb hat gleich nach der Wende dicht gemacht, eigentlich sollte er modernisiert werden, wir waren ja in so einer Modernisierungsphase. Und das hatte damals nicht geklappt. Dann haben wir die ganzen Anlagen im Betrieb abgebaut. Verschrottet. Da habe ich noch mitgemacht bis Ende 1997. Und habe dann hier 1998 das Geschäft übernommen. Ein Bekannter hatte mir berichtet, dass hier das Geschäft aufgegeben werden soll und meinte, dass das doch etwas für mich wäre. Das war eigentlich nicht so meins. Ich hatte vom Handel ja keine Ahnung. Ein paar technische Kenntnisse hatte ich, und von Schrauben etwas und hier und da ein bißchen – vom Handel hatte ich aber keine Ahnung! Wir haben es dann doch gemacht. Meine Frau hat mich unterstützt und die Kinder waren schon aus dem Haus. Damit hielt sich das Risiko in Grenzen. Ich hab dann den Warenbestand gekauft und mir gesagt, wenn ich den 1:1 wieder verkaufe, ist die Einbuße nicht so groß. Aber der Start war schon schwierig.

Blick in den Laden
Blick in den Laden

7. Was macht Ihnen am meisten Spaß hier im Laden?

Am meisten Spaß macht es, wenn der Kunde weiß, was er will. Manche Kunden haben Erwartungen, da muss man einsehen, dass man nicht helfen kann. Manches hab ich nicht, kann es auch nicht versorgen. Und wenn die Kunden dann dastehen: Nun helfen Sie mir doch! Nun helfen Sie mir doch! Bei Ihnen kriegt man doch alles, sie haben doch immer alles. Manchmal gehts nicht. Ich helfe wirklich gerne und möchte auch dem Kunden einen Gefallen tun, probiere dann noch … das kostet halt Zeit. Dafür hab ich mir auch noch extra Werkzeug besorgt. Aber wenn ich dann hinten steh und was mache und der Laden voller Leute ist, das geht eigentlich nicht. Meistens mach ich das für die älteren Leute, die dann mal mit nem alten Türschloß kommen. Und wenn die Leute es auch nicht gleich brauchen, mach ich das dann vor der Arbeit oder in der Mittagspause. Obwohl ich in der auch gern mal die Füße hochlege. Meist komm ich schon um 7 und mach dann solche Arbeiten und Überweisungen oder Waren einräumen … oft denke ich am Abend, wieder nicht das geschafft, was ich eigentlich schaffen wollte. Wenn mich da meine Frau nicht noch unterstützen würde, sehe es noch schlechter aus.

8. Wohnen Sie in der Neustadt?

Nein, ich bin kein Neustädter – trotzdem hat man mich hier angenommen.

9. Steht ihre Frau auch manchmal mit im Laden?

Nee, das war mal so gedacht, dass sie wenn sie in Rente geht mit vorne steht und mit kassiert. Aber das ist nicht ihrs. Sie arbeitet eher im Büro. Macht Buchführung, kümmert sich um Bestellungen, vor allem um die Haushaltswaren, das ist so ihrs. Das hilft schon!

10. Sie gehen Ende des Jahres in Rente. Was passiert mit dem Laden und was werden Sie dann tun?

Ja, ich werde im November 65 Jahre und sage mir: jetzt ist Schluß! Der Laden wird dann von jemand anderes übernommen. Es wird aber im Wesentlichen alles so bleiben. Das ist niemand aus der Familie, die sind alle versorgt. Ich würde das auch nicht wollen.

Wir haben geplant, dass wir mal 14 Tage in den Urlaub fahren nächstes Jahr. Das gab es die ganze Zeit nicht. Maximal eine Woche. 3 Mal im Jahr. Und dann, mal sehen, ob ich mir noch was nebenbei verdiene. Aber unabhängig vom Laden. Ich will mich dann nicht mehr so binden. Vielleicht etwas, wo ich dann zwei Tage die Woche arbeiten gehe. Etwas, was mir Spaß macht, wo ich bißchen basteln und bauen kann. Das ist so meins. Das fehlte mir alles eigentlich ein bißchen. Ich denke da an einen Hausmeister-Job. Und einen Kleingarten hab ich auch noch. Aber ich geh ja im Januar raus, da muss ich mir noch was für den Winter suchen. Vielleicht renoviere ich unsere Wohnung. Die möchte ich mal ordentlich übergeben. Vielleicht bin ich auch noch ein bißchen im Laden, um meinen Nachfolger zu unterstützen. Aber der wird das schon machen. Er wohnt hier gleich um die Ecke und hat einen kurzen Arbeitsweg. Er hat sich auch in letzter Zeit sehr engagiert. Bis dahin ist noch viel Arbeit. Ich werde noch alles schön beschriften, mit den Bestellnummern dran. Alle Regale sind nummeriert. Das erleichtert die Arbeit ungemein.

Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen!

Nach unserem Interview macht Herr Ollendorf den Laden wieder auf. Es ist Punkt 14 Uhr. Es stehen bereits wartende Kunden vor der Tür, die neben ein paar Schrauben oder einem Klebeband einen Rat benötigen. Und die Kunden lassen sich darauf ein: Wenn Sie das sagen, dann mach ich das so!

Hoffentlich hat der Nachfolger auch so viel Einfühlungsvermögen!

Braucht ihr auch mal Hilfe bei der Wahl der richtigen Schrauben, Haken und Dübel? Dann besucht den Laden, hier wird euch wirklich geholfen!

Eisen Feustel, Inh. Lothar Ollendorf, Bautzner Str.51, 01099 Dresden, Telefon: (0 35 1)8 03 06 32

  Öffnungszeiten:
Di-Fr:
 9:00-13:00 Uhr; 14:00-18:00 Uhr
Sa: 
09:00-13:00 Uhr

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