Bergwacht

10 Fragen an einen Bergretter bei der Bergwacht Dresden

Ich meine, dass eine Gesellschaft ohne (ehrenamtliches) Engagement nicht funktioniert.

Jost, Bergretter

Jost ist 48, verheiratet, Vater von zwei Kindern und eigentlich Projektingenieur an Windkraftanlagen. Seit 2010 ist er aber auch Einsatzleiter, Ausbilder und aktives Mitglied bei der Bergwacht Dresden – hier sichert er mit seinen Kamerad*innen als sogenannte bergferne Bereitschaft den Wochenenddienst der Bergwacht in den Rettungswachen Bielatal oder Rathen ab und erlebt somit bis zu 10 Einsätze pro Dienstsaison in der Sächsischen Schweiz. Wir haben Jost interviewt und gefragt, wie es ist, bei der Bergwacht zu arbeiten oder wie er mit besonders schwierigen Einsätzen umgeht und dabei noch viele weitere, spannende Fragen geklärt!

Das 5-köpfige Team der Bergwacht.
Jost (rechts außen) und seine Kamerad*innen.

1. Wie bist du zur Bergwacht gekommen und wie wird man überhaupt Bergretter*in bei euch?

Mitglied kann bei uns grundsätzlich jede und jeder werden, man sollte sich aber bereits gut im Dienstgebiet auskennen, bereits klettern und gewisse Erfahrungen in den Besonderheiten des Kletterns in der Sächsischen Schweiz mitbringen. Ist das erfüllt, kann man sich bei der jeweiligen Bereitschaft bewerben, am besten mit Angabe eines Tourenbuchs und der beherrschten Kletterschwierigkeit. Danach durchläuft man verschiedene Schulungen, Prüfungen und Tests, von der Selbstsicherung über die medizinische Ausbildung bis hin zur Rettungstechnik, bis man schließlich die große Einsatzkraftprüfung bestehen muss. Hat man die erfolgreich hinter sich gebracht, ist man offizielle Einsatzkraft bei der Bergwacht.

Zur Bergwacht gekommen bin ich persönlich eigentlich durch den Wunsch, über die Kameradenrettung beim Klettern hinaus noch weitere Rettungstechniken beherrschen zu wollen. Ich wollte lernen, in kritischen Situationen sicherer zu sein.

2. Warum machst du das Ganze, obwohl du dafür nicht bezahlt wirst?

Ich meine, dass eine Gesellschaft ohne ehrenamtliches Engagement nicht funktioniert. Außerdem bin ich neugierig und beim Bergsteigen können häufig Probleme auftreten, die gefährlich werden können und die man ohne fundierte Kenntnisse nicht lösen kann. Bei der Bergwacht kann man viel in diese Richtung lernen.

3. Aus welchen Menschen besteht euer Team eigentlich?

In der Bereitschaft Dresden gibt es derzeit 83 aktive Kamerad*innen, davon 23 in der Ausbildung. Die Altersspanne reicht von ca. 20 bis über 60 Jahre. Ältere Kamerad*innen sind meist nicht mehr im aktiven Dienst, unterstützen aber bei Übungen und Absicherungen oder in Leitungsaufgaben. Wir haben auch mehrere Ärzt*innen und Notfallsanitäter*innen in der Bereitschaft, ansonsten reicht das berufliche Spektrum von der Lehrerin bis zum KFZ-Mechaniker.

4. Was magst du am meisten am Bergretter sein, was fällt dir aber auch am schwersten?

Mir gefällt der Zusammenhalt, die Kameradschaft, der Teamgeist und natürlich, dass ich Menschen helfen kann. Am schwersten fällt mir tatsächlich, noch mehr Zeit für die Bergwacht zu akquirieren, weil es auch viele andere tolle Dinge gibt, der Tag aber nur 24 Stunden, die Woche nur 7 Tage und das Jahr nur 365 Tage hat…

5. Wie sieht ein typischer Tag bei der Bergwacht aus?

Der Dienst geht in der Regel von Samstag 9 Uhr bis Sonntag 19 Uhr. Wenn es einen Einsatz kurz vor 19 Uhr gibt, geht es auch mal länger, auch mal bis 1 Uhr morgens. Wenn ein langes Dienstwochenende ansteht, z.B. Ostern oder Himmelfahrt, dann von 9 Uhr am ersten Tag bis 19 Uhr am letzten Tag. Die Alarmbereitschaft gilt dabei rund um die Uhr.

Ein typischer Einsatztag beginnt also um 9 Uhr, da melden wir uns einsatzbereit bei der Leitstelle Dresden. Bis um 10 frühstücken wir dann zusammen und führen ein kurzes Briefing durch. Von um 10 bis um 12 checken wir dann das komplette Material, es werden also alle Rucksäcke und deren Inhalt, die Korbtrage und das Auto auf Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit überprüft. Hierzu werden dann auch alle relevanten Ausrüstungsgegenstände, also Korbtrage und Bergesack, aufgebaut und begutachtet. Danach ist warten, essen, üben, Wache Instandhalten usw. angesagt – bis Sonntag 19 Uhr.

Kletterer im Sommer auf der Bastei.
Wenn jemand beim Klettern etwas zustößt, ist die Bergwacht zur Stelle.

6. Aus welchem Grund werdet ihr am häufigsten zum Einsatz gerufen?

Wir werden viel zu einfacheren Wanderunfällen gerufen, wenn also zum Beispiel jemand umgeknickt ist, eine Sprunggelenkfraktur hat oder die Patellasehne betroffen ist. Da erfolgt dann ein medizinisch einfacher Abtransport. Wenn kein Hubschrauber da ist, kann es aber auch durchaus schlauchend vorangehen, je nachdem, wie weit weg der Unfall von einer befahrbaren Straße passierte. Zunehmend helfen wir aber auch Wanderern, die ohne Licht und Karte in die Dunkelheit geraten. Hier werden wir dann zum betreuten Wandern gerufen, was aber auf alle Fälle eine weise Entscheidung ist. Denn ohne Orientierung und Licht in der Dunkelheit sind ganz andere Fälle vorprogrammiert. Kletterunfälle oder gar schwerwiegende Unfälle wie Politraumata, also dass eine oder mehrere Verletzungen in Summe lebensbedrohlich sind, oder Todesfälle sind tatsächlich die wenigsten Unfälle.

7. Gibt es Einsätze, die dich im Nachhinein noch lange beschäftigen? Wie gehst du damit um?

Ich hatte bis jetzt ca. 90 Einsätze, davon vier Totenbergungen bzw. ist die Patientin dann im Krankenhaus verstorben. Bisher gab es für mich persönlich trotzdem noch keinen Einsatz, der mich danach noch lange beschäftigt hat. Wir machen nach jedem Einsatz eine Einsatzbesprechung, bei der alle Aspekte besprochen werden. Jeder kann seine Sicht und seine Befindlichkeiten äußern. Für harte Einsätze fordere ich als Einsatzleiter in der Regel das Kriseninterventionsteam an. Das kümmert sich dann psychologisch um alle Einsatzbeteiligten, also Patienten, Angehörige und Helfer. Bisher wurde es allerdings nur für die Angehörigen gebraucht.

8. Was war der bis jetzt schwierigste Einsatz für dich?

Ein schwerer Fall war eine Person, die beim Klettern mit ihrer Familie in eine steile Spalte abrutschte. Für die Verhältnisse in der Sächsischen Schweiz waren wir zwar sehr schnell zur Stelle, aber die Person zu bergen, auf die Korbtrage zu bekommen und entsprechend zu versorgen gestaltete sich als sehr schwierig… Unter Beatmung wurde sie von uns per Hubschrauber ausgeflogen, erlag jedoch im Krankenhaus ihren Verletzungen.. Die emotionale Anteilnahme war hier natürlich sehr groß, da die Familie alles direkt mit ansehen musste.

Das Einsatzgebiet Sächsische Schweiz.

9. Hast du dich während eines Einsatzes schon einmal selbst in Gefahr gebracht?

Allein das Aufstehen aus dem Bett birgt die Gefahr, hinzufallen. Das Leben ist gefährlich, endet immer tödlich! Trotzdem ist das auch immer relativ: wir kommen dorthin, wo schon Mist passiert ist, wir machen auch Sachen, die viele Menschen nicht machen würden, weil ihnen die Ausbildung und die Erfahrung fehlt. Aber für uns gilt immer der Grundsatz, dass Kameradenschutz vor Patientenschutz geht. Sprich, wir sichern uns immer erst selber, bevor wir einen Patienten retten können. Das hat den einfachen Sinn, dass es einem Patienten niemals hilft, wenn plötzlich neben ihm ein verunglückter Bergretter liegt. In der Hinsicht habe ich mich also noch nie in Gefahr gebracht.

10. Gibt es jemanden, den ihr gerettet habt, der noch heute zu euch Kontakt hält?

Ja, das gibt es vereinzelt. Nicht bei mir, aber bei anderen Kamerad*innen. Unabhängig davon gibt es aber immer viele Danksagungen und hin und wieder auch Spenden oder Präsente.

Jost hat uns einen kleinen und spannenden Einblick in seine Arbeit als Bergretter gegeben! Nun ist klar, wie wichtig diese ehrenamtliche Tätigkeit ist und dass ein Bergretter auch mal zum Lebensretter werden kann. Daher ein großes Dankeschön an alle Bergretter*innen da draußen, die das Wandern und Klettern in unserer Natur täglich ein wenig sicherer machen! Habt ihr noch Fragen an Jost und sein Team? Oder habt ihr euch vielleicht sogar schonmal beim Wandern verirrt und musstet die Bergwacht anrufen? Schreibt es uns gern in die Kommentare!

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